Das Vorstellungsgespräch

Sie waren heute Morgen am Briefkasten und sitzen freudig erregt am Frühstückstisch – Ihre Bewerbung hatte Erfolg, eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei der Firma Hofmaier & Söhne lag in der Post!

Die erste Hürde ist also geschafft. – Richtig, aber nur die erste!
Eine Bewerbung führt nicht automatisch zu einem Vertrags­abschluss; jetzt kommen erst die „echten Hürden“ – Sie müssen vor dem Personalchef (und dem Abteilungsleiter, vielleicht sogar auch noch vor einem Personal- oder Unter­nehmens­berater?) bestehen!

Ein komplexes Vorstellungsgesprächs-Training kann nicht Thema des eBooks

 „BewerbungsTextbausteine – das Geheimnis Ihrer erfolgreichen Bewerbung“

sein; trotzdem möchte ich Ihnen einige Tipps – aus der Praxis für die Praxis – mit auf den Weg geben:

Die Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch fängt nicht erst am Abend vor dem „Tag des Herrn“ statt! Sie hatten vor, zum Friseur zu gehen? Machen Sie das eine Woche vorher! Oder wollen Sie wie frisch lackiert aussehen? Wenn Sie als Frau zum Presseball gehen wollen, ist das eine ganz andere Situation: Hier jedoch sollten Sie natürlich aussehen! Sie wollten sich für diesen denkwürdigen Anlass einen neuen Anzug leisten? Aber nicht erst zwei Tage vorher! Sie sollen in Ihrem Anzug „Zuhause“ sein und das soll man Ihnen auch anmerken! Also: Tragen Sie ihn ein paar Tage vorher und bringen Sie ihn dann rechtzeitig in die Reinigung! Übrigens: Der Maßanzug ist Ihnen nur gestattet, wenn Sie sich als Vorstandsmitglied bewerben; ein gut geschnit­tener Maßkonfek­tions­­anzug tut es allemal – wenn Sie teurer gekleidet daher­­kommen, als Ihr zukünfti­ger Vorgesetzter oder Personalchef, haben Sie mit Sicherheit schlechte Karten!

Auch Ihren Schmuck sollten Sie unter diesem Gesichts­punkt aus­wählen.

Und Ihr Make up, meine Dame? Dezent und gekonnt, nicht wie Schleiflack – sieben Schichten!

Ihr Äußeres ist von enormer Bedeutung. Viele sprechen auch nicht von „Vorstellung“, sondern von „Präsentation“! Präsentieren Sie sich also entsprechend!

Schiefe Hacken und ungepflegte Hände sind tabu! Als ich damals mit meiner (zukünftigen) Frau die Ringe kaufen ging, habe ich ein Juwelier­geschäft aufgesucht, das mir von einem Freund (wegen der Prozente!) empfohlen wurde. Der Inhaber bemühte sich persönlich. Ich habe die Ringe gar nicht richtig gesehen, es ging mir wie meiner Frau: Wir haben ständig auf diese ungepflegten Finger, auf diese abgebrochenen Fingernägel gestarrt – und keine Ringe gekauft!

Sie sind Raucher? Hoffen Sie nicht darauf, dass Ihr Gegenüber auch Raucher ist, sondern stellen Sie sich auf das Gegenteil ein: Sorgen Sie dafür, dass Sie weder Mund- noch Körper­geruch haben; nicht nur bei der Morgentoilette, sondern auch, wenn Sie nach zwei Stunden stressiger Autofahrt vor der neuen Firma aussteigen!

Sorgen Sie dafür, dass Sie ausgeruht ankommen. Wenn Sie die Nacht rotieren und schon pausenlos Vorstellungsgespräche führen, wird das kaum der Fall sein. Nehmen Sie abends vorher ein leichtes Sedativum, ein harmloses Schlafmittel oder Baldrian Dispers Dragees, damit Sie ausge­ruht, aber nicht blockiert sind.

Planen Sie Ihren Anreiseweg genau. Planen Sie eine Stunde mehr ein, als nötig. Gehen Sie gegenüber der neuen Firma ins Cafe´ und trinken Sie in Ruhe eine Tasse Kaffee. Ein kleines Schwätzchen mit der Serviererin kann nicht schaden – Sie sprechen sich frei und erfahren vielleicht etwas über die neue Firma.

Bevor Sie das Gebäude betreten – gehen Sie einmal um das Unter­nehmen herum, gehen Sie auf den Parkplatz – den Parkplatz der Betriebs­angehörigen, nicht der Besucherparkplatz ist gemeint. Stehen hier dicke BMW´s und Mercedesse, oder fuchsschwanzverzierte Mantas und klappe­rige Käfer?

Versuchen Sie, den Gesamteindruck der Firma auf sich wirken zu lassen – fahren Sie Ihre Antenne aus, entscheiden Sie für sich aus dem Bauch: Sieht es hier so aus, als ob man bis zur Pensio­nierung hier arbeiten könnte?

Wenn Sie auf den Haupteingang zugehen – macht er einen einladenden oder einen abwehren­den Eindruck? Ich kenne einen Hotelier, der vor kurzem sein Haus schließen musste. Alle, die ihn kannten, haben sich gefragt, woran es lag. Freund­liche, gemütliche Zimmer, gutbürgerliche Küche, zivile Preise – trotzdem übernachteten nur Vertreter in seinem Haus, Vertreter, die ihn kannten oder auf Empfehlung kamen.

Auf dem Versteigerungstermin hörte ich, wie sich zwei Interessenten über das Versteige­rungs­objekt unterhielten: „Tja, Das Gebäude hat eine gute Substanz, da lässt sich `was daraus machen. Aber der Eingang – wie eine Tresortür und erst die Fenster! Richtig abweisend! Als erstes kommt eine einladende Glastür in die Vorderfront; viel Licht muss her und schöne, große Fenster!

Ich glaube, der düstere, äußere Augenschein hat viele mögliche Gäste abgeschreckt; zum Essen kamen auch nur Stammgäste, kaum Laufkund­schaft.

In Ihrem Falle: Eine großzügige Empfangshalle, helle Farben, Glas, Chrom und Holz. Menschen, die in fröhliche Farben gekleidet sind und sich lächelnd unterhalten – oder aber: muffe­lige graue Mäuse, die über einen schlecht beleuchteten Gang schlurfen und nicht `mal „Moin“ sagen können; im Hintergrund eine vertrocknete Hydro-Palme, davor ein alter Nierentisch mit zwei zerschlissenen Cocktailsesseln der fünfziger Jahre, hinter einer Barriere rattert ein alter, mechanischer Fernschreiber – ist das hier etwa ein Industriemuseum? Wenn Sie sich schon vorher fragen: „Na, hoffentlich hat es sich gelohnt, hierher zu fahren?“ Dann hat es sich in den meisten Fällen nicht gelohnt.

Doch gehen wir einmal davon aus, dass Sie eine helle, großzügige Empfangshalle betreten. Sie sind überpünktlich, Sie wissen ja nicht, über wie viele Stationen Sie weitergereicht werden. (Und den Personalchef inter­essiert es nicht, warum Sie 10 Minuten zu spät dran sind!)

Natürlich lässt er Sie warten, der hohe Herr! Sie und er, sie beide kennen das Spielchen! Entscheidungsträger haben nie Zeit – gönnen Sie ihm das kleine Ritual. Die Sekretärin bietet Ihnen eine Sitzgruppe zum Warten an. Setzen Sie sich möglichst so, dass sie die Tür im Auge haben und aufstehen können, ohne dass Sie den Blickkontakt zum Eintretenden verlieren. Sich nach der Aktentasche (Akten­tasche? Sie haben noch keinen Samsonite??) bücken und mit hochrotem Kopf wieder hochkommen – das passt eher in einen Charlie-Chaplin-Film, aber nicht in ein Vorstellungs-Begrüßungs­-Ritual!

Der Personalchef macht zwei raumgreifende Schritte auf Sie zu, Sie stolpern ihm ebenfalls zwei Schritte entgegen – mein Gott, warum habe ich heute nur so feuchte Hände? Schnell noch ein Griff an die Krawatte – „Herr Meyer?“ – „Herr Müller-Schnucke­danz?“ Eine einladende Geste Richtung gepolsterte Tür ins „Aller­heiligste“. Merken Sie, wie viele kleine Fehler, Unsicher­heiten Ihnen plötz­lich unterlaufen – Sie sind doch eine erwach­se­ne Persönlichkeit, kein Primaner in der ersten Tanzstunde! Sie haben Probleme mit feuchten Händen? Gehen Sie in die Apotheke und lassen sich ein Fläschchen Formalin mit 5% Isopro­pylalkohol geben. Diesen Trick kennt jeder Tennisspieler, der zwei Stunden ein Racket festhalten muss: Vor dem Turnier die Hände eingerieben, sorgt es dafür, dass sie trocken bleiben.

Ein Händedruck, Augenkontakt, Lächeln – Sie werden hinein gebeten.

Die Einrichtung eines Personalbüros – besser: des Büros eines Personal­chefs! – unterliegt nicht nur geschmacklichen Überle­gungen, sondern auch psychologischen Aspekten. Vieles ist natürlich auf „Eindruck getrimmt“, edle Hölzer, schwerer Chef-Ledersessel hinterm Schreibtisch, Kristallvase mit einem kleinen Blumenarrange­ment, Telefon und Notebook auf dem ausladen­den Mahagoni­schreibtisch, auf dem man gut und gern Tisch­tennis spielen könnte…

Alles sehr eindrucksvoll. – Lassen Sie sich nicht verblüffen. Sie sind nicht der Typ, der ungebremst am Personalchef vorbeigeht und hinter seinem Schreibtisch Platz nimmt. – Sie lächeln ungläubig? Das ist mir schon passiert! Ein Diplom-Betriebswirt, sehr nervös – „Mein Gott, Verzeihung, ich bitte sehr um Entschuldigung…“ hatte offensichtlich einen Blackout. Ich habe niemals zuvor einen Menschen gesehen, der, als er merkte, was ihm passiert war, so verlegen war.
Das Gespräch kam – was Wunder! – erst stockend in Gang. Als er sich gefangen hatte, wusste er sich gut zu verkaufen und auch zu überzeugen.

Aber zurück zu unserer Ausgangssituation: Sie betreten am Personaler vorbei den Raum, leichte Kehrtwendung, dem Personalchef zugewendet, abwartende Haltung: Er ist an der Reihe, hier hat er Heimvorteil!

Möglichkeit 1: Er bittet Sie vor den Schreibtisch – Vorsicht! – hier stehen oftmals zwei Sitzmöbel, ein bequemer Sessel, Ihnen näher, etwas weiter entfernt von Ihnen ein anderes Sitzmöbel, vielleicht ohne Armlehnen, gradliniger, unbequemer. Übersehen Sie den Sessel, der den Eindruck macht, als käme man schwer aus ihm wieder hinaus, wählen Sie die etwas unbequemere Sitz­gelegenheit! – Warum?

Sie sind nicht zu einer Kinovorführung eingeladen, Sie wollen sich mit Ihrem Gegenüber aktiv „auseinandersetzen“!

Hier kommt auch das erste Mal Ihre Körpersprache zum Einsatz!

Gespielte Lässigkeit à là James Dean ist genauso wenig angesagt, wie eine bolzen­gerade Körperhaltung, einem Ladestock ähnlich.

Sitzen Sie entspannt, aber aktiv, d.h.: nicht auf der Stuhlkante, aber auch nicht zu lässig hinein­gerekelt. Leicht vorgebeugt sind Sie bereit, sich aktiv in ein Gespräch einzulassen. Erstarren Sie nicht zur Salzsäule, bewegen Sie sich körperkonform, wechseln Sie ruhig hin und wieder die Sitzposition – ruhig, nicht, als wenn Sie Ameisen im … haben, rutschen Sie auch nicht hin und her. Versuchen sie einen ungezwungenen Eindruck zu machen, so, als wäre es das Natürlichste von der Welt, als säßen Sie ihm jeden Tag gegenüber. Auch Ihre Hände gehören Ihnen – setzen Sie sparsame Gesten ein. Unterstreichen sie leicht das Gesagte. Die Denkerpose von Rodin gehört nicht vor den Schreibtisch des Personalers. Vermeiden Sie wenigstens in der Anfangs­phase des Gesprächs, sich an die Nase zu fassen, zu kratzen, oder den Finger auf die Lippen zu legen. Nehmen Sie einen Kugel­schreiber in die Hand, nicht die Nase! Kugelschreiber? Wenn die „Small-Talk-Phase“ vorbei ist, haben Sie hierzu die beste Gelegenheit – „Sie gestatten doch, dass ich mir Notizen mache?“ – und öffnen Ihren Terminkalender, Schreibmappe o.ä.
Der Schreiber folgt dann ganz automatisch.
Ist das nicht etwas zu aufdringlich, eigenmächtig? – Warum? Ihr Gegen­über ist ja auch „bewaffnet“! Zumindest mit Ihren Bewerbungs­unterlagen! Wenn Sie Ihren Terminkalender aufklappen, sieht man auf der ersten Seite die ausgeschnittene Stellenanzeige aufgeklebt – Ihr Gesprächspart­ner sieht, dass Sie sich damit auseinandergesetzt haben! (Deswegen soll­ten Sie auch niemals auf der Anzeige beim Telefonieren herummalen, oder sie aus der Zeitung herausreißen – sie ist Arbeitsunterlage!)

Und noch ein Tipp: Wenn Sie die Anzeige nur am oberen Rand mit Tesafilm festkleben, können Sie den Platz unter der Anzeige als „Spickzettel“ benutzen!

Ist das Blatt groß genug, dann teilen Sie es in 2 Spalten: Links stich­wort­artig Ihre Fragen, nach Prioritäten geordnet – wenn Sie aus der Tür sind und feststellen, dass Sie die Hälfte der Fragen zu stellen vergessen haben, ist es zu spät! Rechts der Platz ist den Antworten vorbehalten.

Ihre Bitte, sich Notizen machen zu dürfen, ist für Sie aus zweierlei Gründen wichtig: Zum einen haben Sie einen Leitfaden in der Hand, das Hantieren mit Mappe und Schreiber hilft Ihnen, sich zu konzentrieren. Der zweite, genau so wichtige Positiv­effekt: Das Gespräch gewinnt an Authen­tizität; hat der Personal­chef „5%“ gesagt hat und Sie haben es mitge­schrieben, ist es wie mit einer Aktennotiz, sie hat keinen Urkunden­charakter, ist kein Beweis, aber wenn anschließend im Vertrag „3%“ steht, können Sie sich trotzdem darauf berufen. Normalerweise wird sich der Personalchef davor hüten, mit Zahlen zu „jonglieren“, wenn Sie sich Notizen machen!

Zurück zur Position: Sie sitzen immer noch vor dem Personalchef, er sitzt Ihnen allein gegenüber. Fragen Sie Ihn ruhig, ob noch jemand an dem Gespräch teilnehmen wird. Auch die Frage nach der Zeit, die man dem Gespräch einräumen will, ist legitim. Sollte der Personaler eine zweite, dritte Person avisieren, können Sie davon ausgehen, dass  man zur Sitz­gruppe umziehen wird.

Doch noch sitzen Sie vor dem Schreibtisch; das Spielchen mit den zwei Sitzmöbeln haben Sie glücklich überstanden. Ich habe häufig nachmittags Vorstellungs­gespräche geführt. Dabei ergab sich der Umstand, dass, wenn die Sonne tief stand, das Licht durch das Fenster links hinter mir genau in das Gesicht des Kandidaten fiel. Sie ahnen gar nicht, wie sehr so ein kleiner Sonnenstrahl irritieren kann! Nur wenige Bewerber haben eine elegante Lösung dieses Problems gefunden – das Sitzmöbel etwas nach links oder rechts zu rücken. Meist wurde sich nach links oder rechts gelehnt, dabei das Bein übergeschlagen, um die seitliche Körperhaltung zu motivieren – der Bewerber tat so, als gäbe es diesen Lichtstrahl nicht. Es kam sehr selten vor, dass der Bewerber aufstand, um den Sessel zu verrücken oder den anderen Sessel zu nehmen. Ein Kandidat allerdings stand auf, ging zu meiner Verblüffung an das Fenster hinter mir – „Sie gestatten doch?“ – und zog die Gardine soweit vor, dass das Licht ihn nicht mehr störte. Dann setzte er sich wieder hin, schlug die Beine übereinander und lächelte leicht. „Wo waren wir doch stehengeblieben?“ Er hatte mich durchschaut. Bis zu meinem Ausscheiden habe ich darauf gewartet, dass sich ein weiterer Bewerber mit der gleichen Courage finden würde. Es fand sich leider keiner mehr, der so viel Schneid hatte. Übrigens: Den „Gardinenzieher“ habe ich eingestellt – sein Selbst­bewusstsein und seine Eigeninitiative haben viele positive Denkanstöße in seiner Abteilung ausgelöst.

Wie schon angesprochen, kann das Gespräch auch an einer Sitzgruppe geführt, bzw. weiter­geführt werden. Bitte bedenken Sie:
Wir Deutschen sind ein Volk fester Rituale, bestimmter Spiel­­regeln:
Das ist mein Grundstück, meine Sandburg, meine Sonnenliege – Zaun `drum, Handtuch darauf. Was ich meine: Wir haben gern unseren Stamm­platz. Selbst in unserem Stammlokal an der Ecke legen wir Wert darauf. Wehe, ein unbedachter Fremder setzt sich versehentlich dahin – er wird freundlich aber bestimmt hinwegkomplimentiert.

Ist die Sitzordnung nicht klar ersichtlich, klären Sie mit der direkten Frage:
„Wo darf ich Platz nehmen – ich möchte Ihnen nicht den Stammplatz weg­nehmen!“ die Situation.

Sie haben eine zweistündige Autofahrt hinter sich, es gehört zum guten Ton, dass man Ihnen eine Erfrischung anbietet:

„Möchten Sie einen Kaffee oder ein Mineralwasser?“

Nehmen Sie das Mineralwasser! – Warum? Bei zwei so unter­schiedlichen Getränken nehmen Sie das, welches am wenigsten Arbeit macht – es sei denn, eine Thermoskanne steht griffbereit auf dem Tisch.

Die Fragestellung: „Möchten Sie einen Kaffee oder ein Mineralwasser?“ lässt jedoch vermuten, dass es dem Frager lieber ist, wenn Sie sich für Mineralwasser entscheiden, besonders, wenn das Gewicht der Stimme auf „Mineralwasser“, auf dem Satzausklang ruhte.

Also Vorsicht, Sie haben es hier mit einer „Suggestivfrage“ zu tun, Ihr Gegenüber versucht nicht nur, Ihre Entscheidung zu beeinflussen, es wird auch Ihre Reaktion getestet!

Die Einflussnahme durch eine Suggestivfrage funktioniert sehr einfach – ich erläutere es Ihnen an einem Beispiel aus dem Alltag:

Stellen Sie sich bitte vor, Sie haben einen anstrengenden Einkaufs­bummel hinter sich (Geld ausgeben ist immer anstren­gend!). Sie betreten mit Ihren drei Einkaufstaschen beladen ein Cafe´ und lassen sich auf einen Stuhl fallen. Eine Kellnerin erscheint an Ihrem Tisch.

„Ein Kännchen Kaffee bitte!“ Und da Sie zu bequem sind, um ans Kuchenbüfett zu gehen, folgt Ihre Frage: „Was haben Sie denn heute für Torte?“

Die Serviererin: „ Möchten Sie Apfeltorte oder ganz frische Erdbeer­torte mit Sahne?“

Mal ehrlich, Sie wählen die Erdbeertorte, es sei denn, Sie haben eine Erdbeerallergie. Allenfalls verzichten Sie, Ihrer Linie zuliebe, auf die Sahne.

Was ist passiert? Eigentlich nicht viel, es geht ja auch nicht um etwas Weltbewegendes; aber die Serviererin hat Sie manipuliert; Sie sind an eine verkaufsrhetorisch geschulte Bedienung geraten. Ihr Chef hat allen bei Dienstantritt eingeschärft:
„Mädels, verkauft Erdbeertorte, die muss weg!“ Und sie verkauft!

Dr. Peter Jessen, ein bekannter Verkaufs- und Rhetoriktrainer, erzählt auf seinen Rhetorik­-Seminaren gern folgende kleine Geschichte zum Thema „Manipulation“:

Ein Psychologe gerät während einer Autofahrt durch eine ihm fremde Gegend in ein Restaurant, in dem offensichtlich viele Reisende, Vertreter einkehren, um zu essen. Das Essen ist gut und reichlich, der Besitzer des Lokals ein typischer Gastwirt: er kümmert sich persönlich um seine Gäste, begrüßt mit Hand­schlag, kennt von seinen Stamm­gästen die kleinen Marotten. Da das Mittagsgeschäft fast vorbei ist, setzt er sich zu dem neuen Gast. Der Psychologe verwickelt ihn in ein Gespräch und es dauert nicht lange, da kennt er schon einige seiner privaten und geschäftlichen Probleme.

„Wissen Sie“, begann er zu erzählen, „ich habe hinter dem Haus einige Morgen Land und habe vor kurzem die angrenzende Hühnerfarm dazu gekauft. Und genau die ist zum Problem geworden: Sie haben sicher schon bemerkt, dass ich viele Geflügel- und Eierspeisen auf der Karte habe, außerdem versorge ich auch die ganze Nachbarschaft mit meinen Erzeug­nissen. Trotzdem: Ich komme gegen die Legefreudigkeit meiner Hühner nicht an, was soll ich nur tun – wir haben schließlich nicht das ganze Jahr Ostern!“

„Lieber Wirt“, antwortet der Psychologe, „Sie haben längst noch nicht alle Möglichkeiten, Ihre Eier an den Gast zu bringen, ausgeschöpft. Spiegeleier, Rühreier, Omelett ist nicht alles. Sie haben auf der Mittagskarte beispielsweise „Hühnerbrühe mit oder ohne Ei“.

Ich habe gehört, wie Ihre Serviererinnen „Möchten Sie die Hühnerbrühe mit oder ohne Ei?“ fragen; so können Sie keine Eier verkaufen! Die Frage: „…ohne Ei?“ ist völlig überflüssig, dazu noch an das Ende des Satzes gestellt! Der Gast ist bequem, er will sich verwöhnen lassen. Wenn die Serviererin die Betonung auf dem Satzausklang hängen lässt, wiederholt der Gast, ohne lange zu überlegen: „Ohne!“ Lassen Sie Ihre Kellnerinnen „Möchten Sie Ihre Hühnerbrühe mit einem oder lieber mit zwei frischen Eiern von freilaufenden Hühnern?“ fragen! Nur der Gast, der eigentlich nicht gern ein Eigelb in der Brühe hat, wird sich dieser Manipulation entziehen und die erste Möglichkeit wählen. Die Möglichkeit, „Keines!“ zu antworten, würde eigene Überlegung erfordern: Sie fällt auf unter 33%, vorher stand sie auf über 50%!

Diese zwei typischen Beispiele sollten genügen, um Ihnen vor Augen zu führen, wie man Menschen beeinflussen, manipulieren kann!

Achten Sie einmal während des Tagesablaufes darauf, wie wer wen manipuliert!

Und: Probieren Sie es selbst aus – es funktioniert!

Und was sollen Sie wählen, wenn Ihnen Tee oder Kaffee ange­boten wird?

Nehmen Sie Kaffee, aber vergessen Sie nicht, auch Zucker und/oder Sahne zu nehmen, auch wenn Sie Zuhause den Kaffee schwarz trinken.

Oder wollen Sie in den Verdacht geraten, dass Sie zu „schüchtern“ sind, sich das zu nehmen, was Sie „wirklich“ wollen?

Es ist wie mit dem Schotten: „Ich kann meinen Tee nie so trinken, wie ich gern möchte!“

„Wieso??“

Am liebsten nehme ich zwei Stück Zucker. Bin ich auf Besuch, nehme ich drei. Bin ich Zuhause, nehme ich nur ein Stück.“

Wo waren wir stehen – Pardon! – sitzengeblieben? An der Sitz­gruppe.

Ihre Gesprächspartner: Der Personalchef – er übernimmt den „Psycho­logi­schen Part“.

Dann: Der Abteilungsleiter, Geschäftsführer o.ä., er stellt die fach­bezoge­nen Fragen.

Und dann ist da noch ein Herr im grauen Nadelstreifenanzug, dessen Namen Sie nicht richtig verstanden haben, der sich etwas zurückhält, außerhalb Ihres Gesichtsfeldes – zu Ihrer linken oder rechten Seite. Vorsicht: Ein Personalberater!

Versuchen Sie, ihn ins Gespräch mit einzubeziehen. Er vertritt ebenfalls die „psycho­logische Seite“; möglicherweise überlegt er sich gerade, welche Tests er bei Ihnen einsetzen wird. Es würde hier den Rahmen wirklich sprengen, wollte man hier Fragen zum Bereich Leistungs­-, Eignungs- und Persönlichkeitstests disku­tieren.

Nur noch ein Rat zum Abschluss:

Ihre Gesprächspartner“ – wieso Partner? Gegner! sind ein einge­spiel­­tes Team – sie spielen sich die Bälle zu. Und sie legen Tempo vor – kein Wunder: Der eine fragt, Sie antworten und der andere hat schon die nächste Frage auf der Zunge! (siehe den Button: „Fragen, Fragen …“ )

Bremsen Sie das Gespräch – sonst fallen in der Hektik Antworten, die Sie lieber nicht gesagt oder lieber anders formu­liert hätten. Da gibt es einen ganz einfachen Trick: Setzen Sie die Frage als rhetorisches Stilmittel ein – drehen Sie sie um und spielen Sie sie wieder zurück.

„Meinen Sie mit Ihrer Frage, dass…“ Während Sie die Frage wiederholen, haben Sie Zeit, sich Ihre Antwort zu überlegen. Sonst kommen Sie sich wie der Autofahrer vor, der jahrelang Käfer gefahren hat und sich jetzt einen Jugendtraum erfüllt: Einen Ferrari. Wenn Sie sofort und zuviel Gas geben, wird das Band der Autobahn unter Ihnen in einer Geschwindigkeit wegreißen, die Sie plötzlich nicht mehr in den Griff bekommen; Sie sind diese Geschwindigkeit nicht gewöhnt, Sie sind nicht gewöhnt, so weit nach vorn zu denken. Bremsen Sie sanft ab!

Und noch ein Tipp: In einer Extremsituation wie einem Vorstel­lungs­gespräch, einer „Präsen­tation mit mehreren Unbekannten“ könnte direkter Augenkontakt irritieren. Sehen Sie Ihren Gegenübern nicht direkt in die Augen, sondern vor die Stirn, Sie werden dann nicht irritiert und Ihre Gesprächspartner haben trotzdem das Gefühl, dass Sie Blickkontakt halten.

Vieles von dem, was Sie hier lesen, mag Ihnen aus Rhetorik­-Seminaren bekannt sein, einiges ist Ihnen vielleicht neu. Wenn Sie sich mit den Ratschlägen auseinandersetzen, werden Sie sich sicher­lich fragen: „Muss das denn alles sein, ich bin doch kein Schauspieler?“ Ja und Nein: Dies ist kein Drehbuch, das Sie auswendig lernen sollen. Sie sollen auch in keine Ihnen fremde Rolle schlüpfen. Betrachten Sie diese Tipps als Anregung; über­nehmen Sie, was Ihnen sinnvoll erscheint, was zu Ihrem Persön­lichkeitsbild passt.

Als zitterndes Nervenbündel, ängstlich darauf bedacht, vor dem „allge­wal­tigen Personalchef“ alles richtig zu machen, werden Sie sich kaum natür­lich geben können; Sie sollten Sie selbst bleiben!

Andererseits bedenken Sie bitte:

Im Wettbewerb um eine Position ist die Humanität außer Kraft gesetzt – Zivilisation bedeutet nicht, dass wir Menschen humaner miteinander umgehen. Das Gesetz des Dschungels ist nur differenzierter geworden – wir sind immer noch Neandertaler; statt mit der Keule kämpfen wir nur mit wesentlich subtileren Mitteln. Die – zynische – Konsequenz:

Trauen Sie niemandem, keinem Personalchef, keinem Personal­berater – setzen Sie einfach voraus, dass Sie jemandem gegen­übersitzen, der sich aus zweierlei Gründen mit Ihnen auseinander­setzt. Der  eine: es ist eine vakante Position zu besetzen – das ist die vorder­grün­dige Motivation – aber auch diese wird von Ihrem Gegenüber aus einem ganz anderen Blick­winkel vertreten: Sie fechten, sage wir als Hausnummer: um einen Bruttomonatslohn von EURO 3.000,–. Für Sie bleiben davon rund gerechnet EURO 2.000,– in der Tasche. Ihrer Meinung nach zu wenig – das ist Ihre Sichtweise.
Jetzt die Sichtweise des Personalchefs: 3.000,– plus Gemeinkosten macht 5.000,– ergibt im Jahr rund 60.000,–, auf zehn Jahre hochgerechnet – er verhandelt mit Ihnen über mehr als eine halbe Million! Einen Betrag, den er „nach oben“ argumentieren, notfalls bei einer Fehlentscheidung auch rechtfertigen muss! Der Personalchef ist das ungeliebte Kind der Firma – er gibt Geld aus, obwohl wir alle sparen müssen. Überall wird umstrukturiert, rationalisiert, nur der Personalchef braucht ständig mehr Geld, weil seine Abteilung gewachsen ist. – Warum? Der Arbeitsanfall ist im Personalbereich überpropor­tional gewachsen: Auf jede Stellenanzeige sind nicht wie früher 50, 60 Antworten, Bewerbungen zu bearbeiten, sondern 100, 200! Beurteilungen, Kündigungen – wenn eine Firma ihren Personalbestand von 6.000 Mitarbeitern auf 4.800 „`runterfährt“ – Beispiele gibt es genug – bedeutet das einen enormen zusätz­­lichen Arbeitsanfall.

Und da sind wir schon beim zweiten Grund, weshalb Ihnen nicht ein väterlicher Freund gegenübersitzt – der Personalchef muss ständig seine eigene Position rechtfertigen, verteidigen!

Sagen Sie sich: Wenn ich hier eingestellt werde, liegt es nicht nur an meiner fachlichen Qualifi­kation, es liegt daran, dass sie schließ­lich eine/n einstellen müssen, dass ist ihr Job. Vielleicht werde ich eingestellt, dann habe ich Glück, dann habe ich heute Morgen das richtige Parfum/Rasierwasser genommen.

Sagen Sie sich: „Was soll´s, eigentlich will ich den Job gar nicht, ich will mir nur beweisen, dass ich ihn haben kann!

Das ist die richtige Einstellung, mit der Sie in ein Vorstellungs­gespräch hineingehen sollten!

Was ich damit sagen will? Seien Sie locker, aber konzentriert! Stellen Sie sich vor, Sie würden Boris Becker auf dem Tennisplatz gegenüberstehen. Was haben Sie schon gegen einen Profi zu verlieren – er ist der Favorit! Sie haben alles Erdenkliche getan, sich gut vorbereitet; Sie sind ausgeruht, Ihr Gehirn ist einge­schaltet, Sie sind in Siegerlaune – Sie können nur gewinnen! Stellen Sie sich neben sich und beobachten Sie sich selbst!

Aber: Beobachten Sie auch Ihr Gegenüber – Vorsicht! – Je freund­licher der Personalchef wird, desto mehr müssen Sie auf der Hut sein! Wenn Sie gegen Boris Becker gewinnen wollen, müssen Sie den Ball im Spiel halten – riskante Winnerschläge kann er besser. Das Gespräch, das Spiel läuft gut: Sie halten das Tempo mit, Sie führen! Nicht nachlassen – bleiben Sie bis zum Matchball wach­sam!

Die Situation mit dem „Es-ist-geschafft-Gefühl“ ist nicht neu:

Das Gespräch ist nach Wunsch gelaufen, Sie lehnen sich entspannt zurück – jetzt kommt die Sekunde der Wahrheit: Der Personaler schnappt zu und Sie haben einen Blackout. Glauben Sie mir: Der Personalchef ist nicht nur Ihr Gegenüber – er ist in erster Linie Ihr Gegner! Bitte erinnern Sie sich: Personalwesen bedeutet Perso­nal­auslese, bedeutet „Negativ-Auslese-Prinzip“!

Bleiben Sie wach­sam bis zur Verabschiedung! Viel Glück!

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