“Nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des Handelsgesetzbuches (HGB) hat jeder Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Recht auf ein Zeugnis. Ein Zeugnis ist eine Urkunde, d.h. die darin enthaltenen Angaben sollten richtig und ausreichend sein. Wenn ein Arbeitgeber bewusst etwas Falsches bezeugt, kann gegen ihn ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden. Das trifft immer dann zu, wenn ein Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis “hinausgelobt” wird und der neue Arbeitgeber im Vertrauen auf die Richtigkeit der Zeugnisangaben eine Person einstellt, die den Anforderungen der Position nicht gewachsen ist. Andererseits hat auch der Arbeitnehmer das Recht, Schadenersatz zu beanspruchen, wenn ihm – aufgrund von Verärgerung – das Zeugnis verweigert oder unvollständig erteilt wird.
Zwar kann sich der Arbeitgeber zunächst auf die Ausstellung eines einfachen Zeugnisses, das Art und Dauer der Beschäftigung angibt, der sog. “Arbeitsbescheinigung” beschränken; aber er muss, wenn es der Arbeitgeber verlangt, ein qualifiziertes, d.h. ein auf Führung und Leistung ausgedehntes Zeugnis ausstellen – vorausgesetzt, der Arbeitnehmer war länger als 6 Monate beschäftigt und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt nicht länger als zwei Jahre zurück.
Der Arbeitgeber darf auch den Entlassungsgrund nennen und auch für den Arbeitnehmer ungünstige Bemerkungen machen, wenn sie den Tatsachen entsprechen und für die Beurteilung des Arbeitnehmers nach allgemeiner Anschauung (?) von Bedeutung sind.
Es ist allgemeiner Brauch, keine konkreten, negativen Angaben zu machen, selbst dann, wenn sie berechtigt wären.
Man kann das Feigheit nennen oder gesellschaftliche Konvention oder Furcht vor Arbeitsgerichtsprozessen oder auch Großzügigkeit, Toleranz und Mitleid.
Heuchelei aber ist es, naiven Arbeitnehmern ein anscheinend gutes Zeugnis zu erteilen, aus dessen Formulierungen der Kenner eindeutig schlechte Beurteilungen herauslesen kann.
Kenner sind in solchen Fällen die Menschen, die den “Geheimcode bei Zeugnis-erteilungen” lesen können.
“Einmal dachte ich, ich hätte unrecht, aber ich hatte mich ausnahmsweise nur getäuscht” – Personaler sind unfehlbar.
Und solche unfehlbaren Kenner soll es unter Personalchefs, bei Personal- und Unternehmensberatungen hinreichend geben.
Hans-Joachim Krause, Rechtssekretär der DAG, Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, schätzt, dass von den ca. 19 Millionen (!) Zeugnissen*), die jährlich in der Bundesrepublik ausgestellt werden, jedes zweite einen Code-Bestandteil enthält.
Und genau diese Code-Bestandteile können Sie sich auf den folgenden Seiten ansehen!
Mit Rücksicht auf die Lesbarkeit sind sämtliche Formulierungen einem männlichen Zeugnisempfänger zugeschrieben worden – nicht, dass ich etwas gegen Frauen habe, wie bereits an anderer Stelle glaubhaft versichert, bin ich glücklich verheiratet – aber ein in Klammern gesetztes (sie) verwirrt nur.
Für ganz Genaue: Mit einer Ausnahme, Sie werden sie schon finden.
*) Der Artikel, den ich hier zitiere, ist 1969 erschienen – jetzt, da die Bundesrepublik durch die fünf neuen Bundesländer wesentlich gewachsen ist, außerdem durch Umstrukturierungsmaßnahmen und dem damit verbundenen Personalabbau die Personalabteilungen mehr mit Entlassungen als mit Einstellungen zu tun haben, kann man die Zahl getrost verdreifachen.
In diesem Zusammenhang: Nach vorsichtigen Schätzungen werden Jahr für Jahr rund 80 Millionen Bewerbungen geschrieben, an verschiedene Firmen in verschiedenen Städten verschickt, von unterschiedlichen Personalabteilungen, von unterschiedlichen Entscheidungsträgern bearbeitet, gelesen – die Wahrscheinlichkeit, dass zum gleichen Zeitpunkt, bei der gleichen Firma, dem gleichen Personalchef eine ähnliche Bewerbung, die ihren Ursprung in diesem Buch hat, auf dem Schreibtisch landet, ist geringer, als ein Hauptgewinn im Lotto – Sie können sich also bedenkenlos der vorgeschlagenen Texte bedienen.
“Wir waren mit seinen Leistungen in jeder Hinsicht außerordentlich zufrieden.” “Seine Leistungen haben in jeder Hinsicht unsere Anerkennung gefunden.” “Wir waren mit seiner Leistung stets sehr zufrieden.” “Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten*) Zufriedenheit erledigt.” *) ANMERKUNG: Wenn Sie in Ihrem Zeugnis “… zu unserer vollen Zufriedenheit …” stehen haben, dann entspricht es grammatikalisch der Formulierung: “…zu unserer vollsten Zufriedenheit…” Voller als voll geht nicht, genau so wenig, wie es eine Steigerung von “einzig” gibt. “Seine Leistungen haben unsere volle Anerkennung gefunden.” “Er hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und in allerbester Weise entsprochen.” “Er hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und in bester Weise entsprochen.” “Seine Leistungen haben unsere Anerkennung gefunden.” “… jederzeit (stets) zu unserer Zufriedenheit…” oder: “Wir waren mit seinen Leistungen stets zufrieden…” “Er hat unseren Erwartungen in bester Weise entsprochen.” “Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.” “Er hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.” “Er hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen.” “Er hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt.” “Er hat sich bemüht, die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen.” “Er hat unseren Erwartungen entsprochen.” “Er bemühte sich mit großem Fleiß, die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erfüllen.” … und hier noch einige Formulierungen, die ohne Benotung etwas über die Persönlichkeit des Zeugnisempfängers aussagen: “…hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt.” “Sein Verhalten gegenüber Kunden, Vorgesetzten und Mitarbeitern war jederzeit vorbildlich (oder: tadelsfrei).” “Wegen seiner Pünktlichkeit war er allen ein Vorbild.” “Er war pünktlich, ehrlich und zuverlässig.” Oder: “…tüchtig, ordentlich.” “Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen (oder: Einverständnis) getrennt.” “… bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden.” “Er hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten eingesetzt.” “Alle Arbeiten erledigte er mit Fleiß und großem Interesse.” “Er war ein zuverlässiger, tüchtiger Mitarbeiter.” “Er zeigte an allem reges Interesse.” “Er zeigte für die Arbeit Verständnis.” “Er zeigte für die Arbeit Interesse.” “Er hat sich bemüht, seinen Aufgaben gerecht zu werden.” “Neue Aufgaben betrachtete er als Herausforderung.” “Neue Aufgaben betrachtete er als persönliche Herausforderung.” “Neue Aufgaben betrachtete er als Herausforderung, der er sich mutig stellte.” “Er erzielte nicht unbedeutende Erfolge.” “Er war bei uns als “Geschäftsführer” tätig.” “Er war für die Erstellung der Jahresabschlüsse zuständig.” “Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter.” “Wir lernten ihn als umgänglichen Kollegen kennen.” “Mit seinen Vorgesetzten ist er gut zurechtgekommen.” “Er war sehr tüchtig, wusste sich gut zu verkaufen.” “Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.” “Er trat innerhalb und außerhalb des Unternehmens engagiert für die Interessen der Arbeitnehmer ein.” “Für die Belange der Belegschaft bewies er Einfühlungsvermögen.” “Für die Belange der Belegschaft bewies er (sie) umfassendes (besonderes) Einfühlungsvermögen.” “Für seine Mitarbeit bedanken wir uns.” “Unsere besten Wünsche begleiten ihn…” oder “Gern bestätigen wir Herrn…” oder Aber: “Für seinen privaten und beruflichen Lebensweg wünschen wir ihm alles Gute und viel Erfolg.” Apropos “Wünsche” – ich erfülle meinen Klienten auch gern den Wunsch nach einem getexteten Arbeitszeugnis – zum Stundenpreis wie Korrekturlesen.
Kommentar:
Außergewöhnlich – Note 1 plus
Kommentar:
Außergewöhnliche Leistungen – Note 1 plus!
Kommentar:
Sehr gut – eine glatte 1
Kommentar:
Sehr gute Leistungen – eine glatte 1
Der Satz: “Das war die einzigste Möglichkeit…” jagt mir jedes Mal einen Schauer den Rücken hinunter.
Kommentar:
Sehr gute Leistungen – Note 1
Kommentar:
Sehr gute Leistungen – Note 1
Kommentar:
Gute Leistungen – Note 2
Kommentar:
Gute Leistungen – Note 2
“Wir waren mit seiner Arbeit jederzeit zufrieden…”
Kommentar:
Zufriedenstellend bis gut – Note 2-3
Kommentar:
Ziemlich gute Leistungen – Note 2-3
Kommentar:
Befriedigende bis gute Leistungen – Note 3+
Kommentar:
Befriedigende Leistungen – Note 3
Kommentar:
Befriedigend – Note 3
Kommentar:
Mangelhafte Leistungen – Note 4
Kommentar:
Unzureichende Leistungen – Note 5
Kommentar:
Ungenügend – Note 5
Kommentar:
Er hat versagt – eine glatte 6!
Kommentar:
Bürokrat ohne Initiative.
Kommentar:
Wichtig an dieser Aussage ist die Reihenfolge:
“Kunden”, (wenn Sie mit Kunden zu tun hatten),
dann: “Vorgesetzte” und erst dann die “Mitarbeiter”.
Andernfalls könnte es bedeuten, dass Sie sich mit den Kollegen solidarisiert und gegen die Vorgesetzten opponiert haben.
Kommentar:
In jeder Hinsicht eine Niete.
Kommentar:
Blasse Erscheinung, über die man nichts zu sagen weiß. Ein so genannter Füllsatz: “Mir fällt partout nichts Positives über ihn ein und das Blatt ist noch leer!”
“Wir bestätigen ihm gern, dass er nicht nur pünktlich, ehrlich und zuverlässig, sondern darüber hinaus … war.”
Kommentar:
In diesem Zusammenhang sehr gute Leistungen.
Kommentar:
Ihm ist gekündigt worden, oder es wurde ihm nahegelegt, selbst zu kündigen.
(Wir haben…” bedeutet immer: “Die Firma hat…”)
“Das Arbeitsverhältnis endete am…”
oder:
“Das Arbeitsverhältnis endete in gegenseitigem Einvernehmen (oder: Einverständnis)…”
Kommentar:
Statt: “Wir haben..” (Klartext: die Firma hat) als neutrales Faktum: “Das Arbeitsverhältnis..” dargestellt bedeutet hier: Das Arbeitsverhältnis ist tatsächlich einvernehmlich beendet worden.
Kommentar:
Er hat schlicht versagt.
Kommentar:
Er hat alles getan, was er konnte – aber das war nicht viel.
Kommentar:
Er war eifrig, aber nicht besonders tüchtig.
Kommentar:
Er war zur Stelle, wenn man ihn brauchte – aber nicht immer besonders brauchbar.
“Er war immer mit großem Interesse bei der Sache.”
Kommentar:
Man kann ihm nichts vorwerfen – aber auch nichts erwarten.
Kommentar:
Er stand meist mit den Händen in den Hosentaschen daneben.
Kommentar:
Er war stinkfaul, hat nichts geleistet.
Kommentar:
Er hat sich angestrengt, aber nichts zustande gebracht.
Kommentar:
Guter Wille, aber ungenügende Leistungen.
Kommentar:
Ein ehrgeiziger Karrierehengst.
Kommentar
Fühlte sich ständig angegriffen.
Kommentar:
Ein Hitzkopf und Wichtigtuer, der alles besser wusste.
Kommentar:
Doppelte Verneinung ist keine Bejahung, ist negativ: Er war erfolglos.
Kommentar:
Die Anführungszeichen bedeuten Ironie – ein Wichtigtuer!
Kommentar:
Zuständigkeit allein ist keine Befähigung.
Kommentar:
Für die Vorgesetzten ein harter Brocken.
Kommentar:
Man sah ihn am liebsten von hinten.
Kommentar:
Er ist ein Mitläufer, Radfahrer, der sich anpasst.
Kommentar:
Ein unangenehmer Mitarbeiter.
Kommentar:
Er war ein Alkoholiker.
Kommentar:
Er hat im Betriebsrat mitgearbeitet.
Kommentar:
Er suchte Sexkontakte, aber Achtung:
Im pädagogischen, sozialen und im medizinischen Bereich ist jedoch der Begriff “Einfühlungsvermögen” positiv belegt.
Kommentar:
Man hält Sie für homosexuell, lesbisch, aber Achtung:
Im pädagogischen, sozialen und medizinischen Bereich ist der Begriff “Einfühlungsvermögen” positiv belegt – trotzdem: Sprechen Sie mit Ihrem Chef und bitten Sie ihn, zumindest das “umfassende”, bzw. “besondere” fortzulassen – man sollte Missverständnisse nicht herausfordern!
Kommentar:
Mit feiner Ironie wird hier “Nein, danke” gesagt!
Aber:
“Wir bedauern seinen Entschluss…” hat gekündigt, oder
“Wir bedauern sein Ausscheiden…” – neutral –
Kommentar:
Man lässt Sie ungern gehen!
“Wir wünschen ihm für die Zukunft alles nur erdenklich Gute” oder
“Wir wünschen ihm alles Gute, vor allem Gesundheit.”
Kommentar:
Ironischer geht´s nimmer!
“Wir bescheinigen ihm hiermit, dass…” oder
“Wir können versichern, dass…”
Kommentar:
Damit wird angedeutet, dass das Zeugnis oder Teile desselben nicht vom Unter-zeichner stammen, sondern vom Mitarbeiter vorgegeben wurden – ein sog. Gefälligkeitszeugnis.
Das ist eine Schlussformel als Verabschiedung, die erkennen lässt, dass man Ihre Persönlichkeit (privaten Lebensweg…) und Ihre fachliche Qualifikation (… und beruflichen Lebensweg…) akzeptiert hat. Das “…viel Erfolg!” ist noch ein Sahnehäubchen obenauf – eine Schlussformulierung, die ich Ihnen wünsche!